3.1  Der festliche Ablauf und regionale Unterschiede


 

"Am 18. August ist in Kiel der Doppelhüllentanker 'Seychelles Prelude' bei der Schiffswerft Lindenau vom Stapel getauft worden und vom Stapel gelaufen."V1

 
 Eine Schiffstaufe findet im Allgemeinen vor dem Stapellauf eines Schiffes statt, also bevor das Schiff zum ersten Mal mit dem Wasser in Berührung kommt. Dabei wird die Schiffstaufe von der Taufpatin durchgeführt. Dass es sich hierbei um eine Frau handelt, ist sehr wichtig, da ein Mann als Taufpate Unglück bringen würde. Darüber hinaus darf in England keine Rothaarige das Schiff taufen und es darf kein grünes Kleid zur Taufe getragen werden. In Frankreich hingegen ist es wichtig, dass die Taufpatin nicht schwanger ist.  Vor der eigentlichen Segnung hält die Patin eine Taufrede, in der häufig über "die Entstehungsgeschichte des Schiffes, die Werft und/ oder den Auftraggeber erzählt"7 wird, die darüber hinaus aber unbedingt die folgenden drei Bestandteile beinhalten muss8: - die Namenstaufe - den Wunsch nach allzeit guter Fahrt und stets einer Handbreit Wasser unter dem Kiel - den dreifachen Gruß "Hipp - Hipp - Hurra! Hipp - Hipp - Hurra! Hipp - Hipp - Hurra!"  John Langshaw Austin (1911-1960), einer der Begründer der Sprechakttheorie, zählte den Gruß, den Wunsch und die Taufe zu den "performativen Äußerungen", "weil ihm auffiel, daß sie im Gegensatz zu ganz ähnlichen Äußerungen offenbar keine Behauptungen darstellen, sondern mit ihnen eine Handlung durchgeführt wird."9  Austin selber führt das wie folgt aus: "Das Schiff taufen heißt (unter passenden Umständen) die Worte 'Ich taufe' usw. äußern. Wenn ich vor dem Standesbeamten oder am Altar sage 'Ja', dann berichte ich nicht, daß ich die Ehe schließe; ich schließe sie. Wie sollen wir Sätze oder Äußerungen dieser Art nennen? Ich schlage als Namen 'performativer Satz' oder 'performative Äußerung' vor. [...] Der Name stammt natürlich von 'to perform', 'vollziehen': man 'vollzieht' Handlungen. Er soll andeuten, daß jemand, der eine solche Äußerung tut, damit eine Handlung vollzieht - man faßt die Äußerung gewöhnlich nicht einfach als bloßes Sagen auf."10  Was mit 'Unter passenden Umständen' gemeint ist, erörtert Austin folgendermaßen: "Nehmen Sie etwa an, ich sehe ein Schiff vor dem Stapellauf, gehe hin, schmettere die Flasche dagegen, die am Rumpf hängt, verkünde: "Ich taufe dieses Schiff 'Stalin'" und schlage, um das Maß vollzumachen, die Keile weg; das Dumme ist bloß: Ich war nicht für die Taufe bestimmt (ganz gleich, ob - um die Sache noch zu komplizieren - 'Stalin' der Name sein sollte; vielleicht ist es noch gemeiner, wenn er es war). Wir können uns einig sein,   (1) daß das Schiff damit nicht getauft worden ist   (2) und daß es eine unglaubliche Gemeinheit ist. Man könnte sagen, [...] ein Teil des Verfahrens bestehe darin, für die Aufgabe bestimmt zu werden."11 Unter diesem Gesichtspunkt entfällt Austin als Taufpate sowieso, da er ja ein Mann ist. 


 

"Der Neubau AHT PEGASUS von Harms Bergung wurde am 28.03.2009 in Cuxhaven bei der Mützelfeldt-Werft getauft. Taufpatin war Viola Wiedemann."V2

 
 Nachdem die Taufpatin das Schiff auf seinen Namen getauft hat, nimmt sie die dafür vorgesehene Sektflasche und schleudert sie gegen den Schiffsrumpf. Meist ist die Flasche mit einem Band um den Flaschenhals am Schiff festgemacht, damit die Flasche beim Zerbrechen nicht in der Hand gehalten werden muss, sondern aus einem Sicherheitsabstand heraus geworfen werden kann. Um sicher zu gehen, dass die Flasche beim Aufprall wirklich zerbricht, wird teilweise die Flasche vorher leicht eingeritzt. Beziehungsweise verzichtet man bei kleineren Booten, wie zum Beispiel Ruderbooten, komplett auf den Wurf der Flasche, aus Angst vor Beschädigungen, stattdessen wird dann der Sekt einfach über die Planken gegossen.  Nicht überall wurde und wird Sekt, oder noch feiner Champagner, verwendet. So haben die Griechen und Römer früher die Schiffe mit Wein begossen. In Schottland wird nach wie vor mit Whisky getauft und in Afrika wird der Palmwein mit spitzem Mund fünfmal gegen die Bordwand gesprüht. In Indien wirft man eine Kokusnuss gegen den Schiffsrumpf und nach islamischer Sitte holt man tatsächlich heiliges Wasser aus dem Brunnen von Mekka.12  Wenn das Schiff geweiht wurde, werden die Keile weg geschlagen und das Schiff läuft vom Stapel. Dies ist der eigentliche Wassertest, erst wenn sich der Rumpf als beständig zeigt, wird die vollständige Ausrüstung im Schiff installiert. In Japan ist der Stapellauf zugleich die Geburt des Schiffes. Dann nämlich, wenn eine zwischen Land und Schiff gespannte Leine zerrissen wird. Wenn die "Nabelschnur" gekappt wird, platzt eine Papierkugel, aus der Luftballons aufsteigen und Girlanden heraus springen. 


 

Die Taufe eines Chemikalien Tankers in einem japanischen Schiffshafen.V3

 
 Der Stapellauf kann als Querstapellauf oder als Längsstapellauf statt finden. Dabei wurde der Querstapellauf erst im 19. Jahrhundert eingeführt und ist besonders beeindruckend, da das Schiff hier kurzzeitig in bedenkliche Seitenlagen geraten und nicht abzuschätzende Wellen auslösen kann.13

 
 

Der Querstapellauf des Eisbrechers Mackinaw II.V4

 
 Wenn das Schiff in einem Trockendock gebaut wurde, kann es auch zu Wasser gelassen werden, indem das Trockendock geflutet wird, was heutzutage vor allem noch bei sehr großen Schiffen der Fall ist.

 
 

Der Bau eines Schiffes im Trockendock. (Bootsbau in Flatford, John Constable, 1815)14
 Darüber hinaus gibt es aber auch noch diverse andere Möglichkeiten, ein Schiff zu Wasser zu lassen, wenn es beispielsweise unter gegebenen Umständen nicht anders möglich ist, kann es auch mit einem Kran ins Wasser gehoben werden. 


 

Eine Yacht wird getauft und danach mit einem Kran ins Wasser gehoben.V5
 Nachdem das Schiff zu Wasser gelassen wurde, folgt die Jungfernfahrt. Und ein Festessen, dieses meist an Bord während der Jungfernfahrt. Während des Festessens wird der Taufpatin dann der Flaschenhals mit dem noch steckenden Korken präsentiert. Da es als gutes Omen gilt, wenn der Korken noch im Flaschenhals steckt, wird dieser meist zum Zeichen für die gelungene Taufe an Bord angebracht. 


 

Quellen:

V1http://www.youtube.com/watch?v=h9wz-S6B6SE, (01.02.2010) 

7http://www.bootsbeschrifter.de/bootstaufe-schiffstaufe, (01.02.2010) 

8ebd. 

9Eike von Savigny: J. L. Austins Theorie der Sprechakte. In: John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Reclams Universal-Bibliothek Nr. 9396. Philipp Reclam jun. GmbH & Co.: Stuttgart, 2002, S. 10 10John L. Austin: Erste Vorlesung. In: John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Reclams Universal-Bibliothek Nr. 9396. Philipp Reclam jun. GmbH & Co.: Stuttgart, 2002, S. 29 f. 

11John L. Austin: Zweite Vorlesung. In: John L. Austin: Zur Theorie der Sprechakte (How to do things with Words). Reclams Universal-Bibliothek Nr. 9396. Philipp Reclam jun. GmbH & Co.: Stuttgart, 2002, S. 44 f. V2http://www.youtube.com/watch?v=e-2Fh1wem18, (01.02.2010) 

12http://www.bootsbeschrifter.de/bootstaufe-schiffstaufe, (01.02.2010) 

 V3http://www.youtube.com/watch?v=mr2HKuYRE6Y, (01.02.2010) 

13http://de.wikipedia.org/wiki/Stapellauf, (01.02.2010)  

V4http://www.youtube.com/watch?v=qAYmIYosGIc, (01.02.2010) 

14https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ae/Boat-building_near_Flatford_Mill_%28Constable%29.jpg, (25.09.2020)  

V5http://www.youtube.com/watch?v=cyMo0r76V0k, (01.02.2010)